Die Anna war aus der "Sonntagsschul komma" und war jetzt "kei Schulmädl" mehr. An Himmelfahrt hielt man Tanz im Wirtshaus im Dorf. Da bestellte die Mutter die Nähtere, die Mathilda, und es wurde beraten, ob der Anna "za ihrn erstn Tanz a Klaid oder a scheens Reckl und a duftigs Bliesl lieber wärn. Nun, den Stoff besorgte man in Marktleithn bei der "Fickenschere", sie war a weng Freindschaft! Dann kam die Mathilda aff die Stöhr, und die Anna drehte und wendete sich beim Anprobieren vor dem Spiegel und gefiel sich gut. Die kleinen Schwestern schauten zu und wünschten nichts sehnlicher als "a grouß za sei". "Und neia Schouh kregt se a", sagten sie neidisch.
Vier "Tänz", das heißt Tanzveranstaltungen, sie waren "gschriebn", also genehmigt, durfte der Wolf, der Wirt, im Jahr halten.
Der Tanzsaal, und da hatte jedes größere Dorfwirtshaus einen, war über den Stall gebaut. Das heißt der Stallboden, dort lagerten die Bauern ihr Heu und Grummet, war als hoher Raum ohne Zwischendecke über die Treppe nauf errichtet. Hohe, oft mit Rundbogen versehene Fenster an den Längsseiten ließen ihn schon von weitem erkennen. Der "Saal" hatte einen glatten Holzfußboden, manchmal Parkett. Damit er ja recht glatt war, wurde geschnitzelte Kernseife gestreut. An der fensterlosen Stirnseite, gegenüber dem Eingang, befand sich eine Art Empore, "die Galerie", die man über eine schmale Holztreppe, die Hennaleitern, erstieg.
Dort oben saß die Musik. An den beiden Fensterseiten und auch unter der "Galerie" waren die schmalen Holzbänke die Sitzgelegenheit für die Zuschauer, vor allem die Mütter nahmen dort Platz. Auch ein großer eisener Ofen stand in der Ecke. Denn "za da Fosnet" und a zan Herbsttanz im Oktober schürte man ein. Zan Frühjahrstänzl, so um Pfingsten rum, und zum Kirwatanz, die Kirwa fand im Dorf am Sonntag nach Jakobi statt, brauchte man das ja nicht.
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Der Anna ihr "neis" Kleid und auch der wattierte Unterrock waren fertig, und die Schuh, sie zwickten vorn an den Zehn a weng, waren ausgetreten. Nur so arg freuen konnte sie sich nicht, weil sie ja noch nicht richtig tanzen konnte. Die "Tanzstund" (Tanzkurs) aber fand erst im Herbst statt, und da sagte sie fast greinend zur Mutter: "Wou ka is denn lerna?" Nun meinte die Mutter: "Du houst doch scha in der Rockastubm probiert und dou mou halt da Vater a mal die Zithern holn und der Hans mou mit dir a weng die Tänz probiern". Und so spielte der Vater, die Anna und ihr Bruder, er war Student, übten den Walzer und die Polka, den Dreher links und rechts rum, den Beischleiderer und den Schottisch und den "Zweifachen", und die Schwestern übten mit.
In der Zeitung stand dann zu lesen: "Der Frühjahrstanz findet an Himmelfahrt im Saale der Gastwirtschaft Tivoli statt. Getränke und ff-Speisen reichlich und gut vorhanden. Es lädt freundlichst ein der Wirt und die Burschenschaft".
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"Schee habts an Saal gschmückt", sagten die Musikanten, als sie mit ihren Instrumenten anrückten, und bogen die Birkenäst an der Galerie zurecht und packten die Noten aus. Am Tisch vorn am Eingang kassierten zwei Burschen das Eintrittsgeld. Die Mutter und die Anna kamen eben zur Saaltür nei. "A Fufzgerl kosts", sagte der Hans und gab jeder einen Anstecker. Suchend schauten sich die beiden um, und da sah die Anna die Lina, die durfte scha a Jahr zan Tanzn gäh, und gesellte sich zu ihr und den anderen Mädln. Die Mutter fand neben der Nachbere einen Platz.
Viel Leut sen dou, stellte man fest, und dann ein Tusch und der Wirt sagte: "Der Tanz ist eröffnet und allen viel Vergnügen!" Die Burschen rückten ihr "Gschmies" zurecht, und "därf ich bittn" sagte der lange Hans zur Anna. Da spielte die Musik flott weg, und bald war alles in bester Stimmung. Nach jeder Tour, zwei kurze Pausen waren eingeschoben, begleiteten die Herren ihre Damen, halt die Burschen die Mädla, an ihren Platz. "Recht gout tanzt", sagte der Hans zur Anna, als er sich bei ihr bedankte. "Schee is, und za jeder Tour hob ich an Tänzer ghabt", sagte sie dann zur Mutter, als Pause war, und die beiden und natürlich auch die anderen Leit zur Küche strebten.
"Die Broutwürst senn gout", meinten beide und gingen in die Wirtsstubm. Dort saß der Vater beim Kartenspieln, "und dou trinkst amal", langte er sein Bierglas der Mutter hin. "Broutwürst hob ich a scha geßn, sie senn wirkle gout" und "G´fälltst da denn?", die Anna fragend. "Ja, ja", lachte sie und lief mit der Lina weg.
Die Musikanten saßen wieder auf der Galerie. Auch sie hatten gegessen und getrunken. Da wieder ein Tusch und es hieß "Damenwahl". Etwas "schenant" gingen die Mädla ze die Burschn und die Anna holte den langen Hans. Ein Gedränge und Geschubse herrrschte auf der Tanzfläche, und man trat sich schon mal gegenseitig "af die Fieß". Da glänzelte die Klingel, "Soler halten" verkündete der Musikmeister, "und anstelln, paarweis die link Seitn ze erst". Da standen nun die Hälfte der tanzenden Paare Arm in Arm, und die anderen drehten sich und wirbelten nur so durch den Saal! Wieder die Klingel und "es wird gewechselt" kam der Ruf von der Galerie, und dann tanzten die anderen Paare was das Zeug hielt, und das wiederholte sich etliche Mal.
Hinten im Eck des Saales über der Hennaleitern hing ein großer Lampion-Mond an einer quer über den Saal gespannten Schnur. "Die Komplämenta machn, der Mouschein-Walzer wird gspielt!" Das Licht ging aus und schön beleuchtet schwebte der "Mou" über den Tanzenden, unter den Klängen "Guter Mond du gehst so stille ...", walzten alle gefühlvoll dahin, und die Zuschauer auf der Bank schunkelten auch mit. "Ach war des schä" seufzte mancher, als das Licht wieder anging und manche sich verliebt in die Augen schauten. Flott ging es weiter und wieder die Klingel, "und jetza wird der Kusswalzer tanzt". Da fragte die Anna die Mutter: "Därf ich mietmachn?" "Nu freile", sagte sie und lachte. Der Thamr mit einem scheen rosaseidenen Kissl unterm Arm und die Lina an der Hand rief: "Schee gmischt im Kreis aufstelln und wenn die Musik spielt a wenig mitschwenkn!", die Aufforderung an alle. "An der schönen blauen Donau" tönte es durch den Saal, und der Thamr und Lina tanzten und dann lag das Kissl vor der Anna ihrn Füßen, und der Thamr, er war ihr Vetter, bat um aren Schmatzer. Etwas schenant hielt die Anna ihr Gsichtl hie, und dann tanzten die beiden, und die Anna holte den Hans, und so kam bald diese, bald jener an die Reihe. Manche zerbrachen sich den Kopf, und dies vor allem die Mütter, ob die zwäe wuhl wous mitaranana ham? Die Leit tanzten und tanzten und Mitternacht war schon vorbei. Die Väter, einer um den anderen, schauten zur Saaltür rei und mahnten zan Heimgäh! Da wieder ein Tusch, und jetzät kimmt der Tanz für die "älteren Herrschaften", so die Aufforderung. Als dann der Vater und die Mutter zu "Es geht nichts über die Gemütlichkeit" durch den Saal schwenkten und auch die Nachbarsleut und halt die Alten, klatschten die Jungen Beifall, und das war schee.
"Der Kehraus is der Marschwalzer", ließ sich nochmals der Musikmeister vernehmen. "Die Mädl im innern Kreis aufstellen und die Burschn außen rum. Ihr wißts ja", kam noch die Anweisung. Die Musik begann, und alle marschierten im Kreis und dann setzte der Walzer ein und "paarweis tanzen und wieder Marsch und wieder Partner nehmen und Walzer!" Das ging noch eine zeitlang so, und dann der letzte Dreher und der Tanz war aus.
Der lange Hans hatte zwar zur Anna gsagt: "Ich führ dich scho heim!" Aber die lehnte ab und lief zur Mutter. "Ach war des heit schee", sagte sie noch zum Hans. Immer wenn die beiden auf einem gemeinsamen Tanz oder auch "Ball" gingen, dann war der Hans der Anna ihr "erster Tourtänzer".
Aus "Geschichten erzählt und erlebt" von Fanni Schricker | Mit freundlicher Genehmigung der Verfasserin (†)
Bild aus vergangenen Tagen
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Als das Fotografieren in Mode kam und die Bildla dann in einem Rähmchen in der Wohnstubm übern Kanapee an der Wand hingen oder im Rand des Spiegels klemmten, konnte sie jeder bewundern. Meist waren es Familienkonterfeis und Brautbilder. Aber nicht nur die Brautleute lichtete man ab, auch die Hochzeitsgesellschaft nahm Aufstellung. "Es wird fotografiert", rief man einander zu, und der Herr mit dem schwarzen Kasten auf der Stellage arrangierte und lief geschäftig zwischen Apparat und Gesellschaft hin und her. Bald war der eine nicht richtig zu sehen, bald blickte ein anderer in die falsche Richtung, und dann wurde noch der Schleier der Braut gefällig geordnet.
Immer im gleichen Schema reihten sich die Leute nach Angabe des Fotografen ein. In der Mitte saß das "Hochzichpoar" mit feierlichen Gesichtern. Fest hielt die Braut den Strauß und der Schleier hing über die Schulter bis zu den Füßen. Rechts und links nahmen die jeweiligen Eltern Platz und die Patenleut schlossen sich an. Auch die "Hochzichköchi" und die Nachbarinnen, die zum Kochen halfen, und auch die junga Mädla mit ihren weißen Schürzen wollten mit aufs Bild.
Ganz vorne saßen die Kinder, mit weißem Kleid und Haarschleife die Mädchen und die Buben im Matrosenanzug. Onkel und Tanten, Vettern und Basen und Freunde und "Freindinnen" wurden zur Hochzeit geladen. Betrachtete man dann später das Kunstwerk, dann saß immer in der vordersten Reihe eine streng aussehende, ältere Dame. Dunkles, gescheiteltes Haar, ein hochgeschlossenes, auch dunkles Kleid mit einem Spitzenkragen am Hals und den Zwicker an einer goldenen Kette, hatte sie die Arme übereinandergeschlagen und schaute mehr oder minder wohlwollend aufs Brautpaar. "Ja, das ist die Tante Julee", klärte man den Betrachter auf, "die Hochzichköchi". Sie wohnte in Gefrees und führte einem betagten Onkel den Haushalt. Früher einmal war sie "Mamsell" in feinen Häusern gewesen. In welchem Verwandtschaftsverhältnis sie zur Familie stand, wusste niemand. Sie war eben "die Tante Julee".
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Stand also eine Hochzich in Aussicht, dann hieß es, schreibt ner erscht der Tante Julee, ob sie Zeit zum Backen und Kochen hat! - Also setzten sich die Brautleut und die Eltern zusammen und besprachen die Sach. War dann die Zusage der Tante da, dann ging es ans Planen und Herrichten, "wies der Brauch war".
"Der Mond muss fei zunehmend saa", hieß es, "und die <Heieret> (Aufgebot) müsst ihr drei Wochen vor der Hochzich beim Bürgermeister in der Gmei machen", wurde weiter aufgeklärt. "Zum Pfarrer könnt ihr scha aweng speeter gäh. Es wird ja ner nu aamal verkündt", sagte der Brautvater und die Mutter meinte: "Es Hochzichloudn fangt ihr bei die Patn an!" Also machten sich die beiden auf die Tour, meist zu Fuß. Einfach war es, wenn die Verwandten in der nächsten "Stauern", also in der Nähe, ansässig waren. Das Gschirr (Fuhrwerk) brauchte man, wenn sie weiter entfernt wohnten. Überall sagten sie ihr Sprüchl her und wurden mit Kaffee und was halt grad im Haus war bewirtet. Oftmals probierte man auch den selbstgemachten "Hollerwein". "Also am Donnerstag uma Elfa wernma in der Kirchn traut und kommts halt rechtzeitig hin", wurde beim Verabschieden noch mal erinnert.
Während die angehende junge Frau ihren Kammerwagen richtete, das Brautkleid probierte (die Schneiderin kam zum Nähen auf die "Stör" ins Haus) und noch vieles zu besorgen war, "weißte" der zukünftige Ehemann die Schlafstubm. Das Zimmer über dem Stall war dafür bestimmt, weil man dann hörte, wenn unten im Stall ein "Stück Vieh ledig war" (ohne Kette herumlief). Die Eltern, die bis dahin ihre Schlafstatt dort hatten, zogen in die hintere Stubm. Mit all diesen Vorbereitungen verging die Zeit und der "Hochzichtag" rückte immer näher.
Schon eine Woche vorher stand das Mehl gesiebt in der Backschüssel zum Wärmen nahe beim Ofen und auch die anderen Zutaten lagen parat. Im Stillen fragte sich die Mutter: werd doch das Schmolz langa? Seit langem sparte sie Butter und "ließ sie aus", und die Schmalztöpf waren voll bis oben hin und warteten im Gwölb auf die Verwendung.
Köichlapfanna und Köichlaspieß, noch von der Großmutter stammend (K.A.B. 1847 war eingraviert), wurden vom Boden geholt, die Köichlabretter dazu. Die Köichlatüchla (dünne Stoffe, meist ausrangierte Vorhänge) nachmals durchgewaschen und viel dürres Holz herbeigeschafft. Und dann reiste die Tante Julee zwei Tage vor der Hochzeit an. Der Kutscher ihres Onkels brachte sie auf den Hof, eine durchaus eindrucksvolle Erscheinung: Mit breitrandigem Strohhut und leichtem, seidenen Umschlagtuch, wenn es Sommer war, mit Pelzmütze und Pelzcape im Winter, saß sie im Fond des Wagens. Eine riesige Reisetasche, kunstvoll bestickt, mit breiten Lederriemen und Beschlägen aus glänzendem Messing, stand neben ihr. Freudig wurde sie begrüßt und hilfsbereit griff man zu, um ihre Sachen ins Haus zu tragen. "Jetzet gäht die Hochzich lous", riefen die Nachbarkinder, "die Tante Julee is komma!"
Am nächsten Tag, zeitig in der Früh, war man schon auf den Beinen und die Tante setzte das "Dämpfl" (Vorteig) für die Köichla. Bald erschienen die Nachbarsfrauen und es wurde geknetet und ausgerollt und die Köichla ausgestochen, nicht zu groß, aber auch nicht zu klein. Zum "Gehen" lagen sie auf den Brettern und zugedeckt mit den Tüchern standen sie überall, wo ein Platz frei war. Eine Hitz herrschte in der Küchn und auch in der vordern Stubm, und wehe, jemand riss die Tür weit auf, dann schrien alle: "Machts die Tür zou, die Köichla hauchn zam!"
Während man die Köichla in Schmalz rausbuk (die Trina war dafür zuständig) und zum Abtropfen auf ein Blech legte, trug die erkalteten Köichla die Jüngste über die Stiegn nauf in die Brotstubm. Dort lagerte sonst das Brot auf dem Gstell neben anderen Vorräten. Jetzt aber war eine Schütt Stroh am Boden ausgebreitet und ein sauberes Leintuch darüber gelegt und da lagen dann die knusprigen, duftenden Köichla in Reih und Glied. "Eins wies anner, grad schee", sagte die Tante Julee, als sie kontrollierte.
Inzwischen hatten sie und die Mutter auch schon die "Streisel- und Keeskuchn" in der "Reeharn" mitgebacken und auch die waren wohlgelungen.
Auch am nächsten Tag erschienen die Nachbarinnen. Während Mutter und Schwester den Bscheid fürs Dorf in die Kretzn abzählten (ganzer Hof 8 - 10 Stück, halber Hof 4 - 6) und jeweils "a Trumm Kouchn" dazu gaben, ging die Nachbars-Anna von Hof zu Hof: "En scheen Gruß vo die Brautleut und do is aweng wos zen Versuchn!" Der Korb wurde geleert, sie bekam ein Geldstück und "sagst scheen Dank." So ging es, bis jeder im Dorf bedacht war.
Daheim aber kommandierte die Tante Julee und legte auch selber mit Hand an. So wurden die Suppe vorgekocht, die Braten gerichtet, die Erdäpfel für die Kleeß oputzt und die Laibla für die Semmelkleeß gschniettn und alles, was man halt am Tag vorher richten konnte, getan. Auch das Porzellan wurde ausgewaschen und die Großmutter putzte das Besteck.
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Die Burschen vom Dorf hatten auch schon das "Wognseil" geholt (dickes Seil, 3 - 4 m lang, das man zum "Bäumen" der Fuder Heu, Grummet oder Getreide brauchte und das am Leiterwagen hinten befestigt war. Während eine Kette an den vorderen Leiterenden den Wies- oder Wischbaum festhielt, der längs über den hoch und akkurat beladenen Wagen gelegt wurde, zog man ihn hinten mit dem Seil straff). Mit "Strei" (Fichtenzweigen) banden die Mädchen daraus eine Girlande. Es war eine mühsame, dennoch kurzweilige Arbeit. Alle machten sich danach auf den Weg zum "Hochzichhaus". Da krachten schon die ersten Böller und auch die älteren Leut traten unter die Haustür und schauten übern Zaun. Ein großer Nagel über der Haustür in die Mitte geschlagen und je einer rechts und links an der Seite, und dann hing die Girlande über dem Eingang. "A paar Kübel brauch mee", hieß es dann und da rein wurden die "Büsch" (im Sommer Birken, im Winter Fichten) gestellt.
"Kommts rei! Der Kaffee is scha fertig!", forderte der Bräutigam die jungen Leit auf. Bei Kaffee, Kuchn und Köichla und auch einem Schnäpsl war man lustig, und der Bräutigam schaute schon aweng wehmütig drein.
Beizeiten war alles am Hochzichtog unterwegs. Der Kutscher schirrte schon ein und unruhig schnaubten die Pferde wegen des ungewohnten Chaisengeschirrs mit den leise klingenden Schellen. Da erschien der Bräutigam in voller Wichs, den Brautstrauß nicht gerade sanft behandelnd.
"Etzt gäh zu in Gottsnama", sagte die Mutter und der Vater mahnte: "Tout niat rückwärts fahrn!" Alle standen auf der Treppn und die Tante Julee mit großer weißer Schürze hielt das Taschntüchl an die Augen und meinte: "Die Zwiebeln senn gar so scharf!"
Und wieder böllerte und krachte es, als die Chaise und die Braut in ihrem Staat und mit den Beiständen (Trauzeugen) aus dem Dorf fuhr. Laut jubelten die Kinder, als der Bräutigam bat: "Lassts uns weiterfahrn", und dabei ganze Händvoll Geldstückl auswarf. Um Elfa trat die Tante Julee unter die Haustür und angestrengt lauschte sie, um dann befriedigt vor sich hinzumurmeln: "Jetzet wird gläut!" Verschwommen hörte man das Geläut der Kirchenlamitzer Kirche.
Nun stellte sie das Tablett mit gefüllten Weingläsern auf den Tisch, zwischendurch ihre Töpfe überwachend und mit den Frauen den Tisch deckend. Blütenweiße Leinentücher waren aufgelegt und das alte Porzellan, nur zu besonderen Anlässen benutzt, schimmerte festlich. "Wou es Brautpaar sitzt, legn me a Kränzl ums Gedeck."
"Sie komma!", riefen die Kinder und da fuhr auch schon die Chaise durchs Hoftor. Der Bräutigam bot seiner jungen Frau die Hand und "jetzat komm" ernst sagend, traten sie vors Haus. Dort wartete unter der Tür die Tante Julee mit dem Tablett und sagte: "Glück und Gottes Segen auf allen eueren Wegen." (Sie gebrauchte immer dieselben Worte). Beide tranken ihr Gleesl Wein in einem Zug aus und warfen die Gläser dann hinter sich. Sie zersprangen beide: "Scherben brenga Glück!", sagte die Tante.
Derweil fuhren die Hochzeitsgäste vor, die Hochzeitsgeschenke wurden überreicht. Die Patenleit der Braut trugen den Regulator (Wanduhr), sorgfältig in ein weiches Tuch gehüllt, herbei und die des jungen Mannes die neuen Ochsenstirnblätter mit dem dazugehörigen Gesträng, wie es üblich war. Zinnteller, Becher, Schüsseln, Sprenger (Gießkanne), Viehketten, Schaufel und Haue, Mistgabel, Weschkorb und auch einen Sachsenkorb (Huckelkorb), sogar eine Schreibtischgarnitur aus schwarzem Stein und natürlich emaillierte Töpf und eine große Kannl zum Kaffeetragn aufs Feld waren dabei.
In der Küche kommandierte die Tante Julee: "Die Suppn in die Terrine! Überall Leberkleesla, Biskuitla und Blumenkohlrösla nei und Peterla drüber!", wandte sie sich an die jungen Mädla, die unter der Küchentür standen. Dampfend stand dann die Suppe auf dem Tisch und alles schaute auf die Braut. Sie sprach das Tischgebet und "jetzat langts alle tüchtig zou! Gesegnete Mahlzeit!"
"Halt!", rief die Tante, sie hatte ihre Schürze abgebunden und ihren obligaten Platz gleich neben der Tür eingenommen: "Die Suppn müsst ihr aus einem Teller essn! Des is sua Brauch!" Dann standen die Fisch auf dem Tisch und es folgten die Braten. "In den runden Sauciern ist die Rahmsoß zen Rindsbratn und in die länglichn die Madeirasoß ze der Zunga!", klärte die Tante die Speisenden auf. Und die Kleeß warn schee und die Semmelkleeß weich und flaumig und auch der "Solat" schmeckte. Als man dann schon bald bei der Nachspeis, der Weincrem, war, stand der Hausvater auf: "Jetzat wolln wir anstoßn auf die Brautleut!" Eine kurze Red und die Frauen suchten nach dem Taschntüchl und dann wurde angestoßen, und auch die Helferinnen aus der Küche taten mit.
Später, nach dem Kaffeetrinken und als der Kammerwagen schon angeschaut war und man voll des Lobes über die scheen Sachn war und besonders den Spiegeltisch mit dem geschliffenen Spiegel bewunderte und die Tante Julee das Abendessn richtete und die Stallarbeit, die ja auch an einem solchen Tag getan werden musste, was die Nachbarsleut besorgten, - als all das erledigt war und man sich zum Essen setzte, kam die Musik. Der Wolf mit seiner Ziehharmonika und der Otto mit der Stehgeign traten zum Brautpaar, gratulierten und aßen gleich mit. Dann wurde abgeräumt, die Tische zusammengeschoben und zum Tanz aufgespielt.
"Der erste Tanz gehört den Brautleuten", ordnete die Tante Julee an und dann schwenkte der Schwiegervater die Braut und der Schwager und jeder kam an die Reihe. Als sich dann der Bräutigam schee langsam mit der Tante Julee durch die Stubn drehte, klatschten alle Beifall. Der Schottisch und der Walzer und der Galopp machten warm und da ließ der Vater schon tüchtig einschenken und es ging lustig und fidel zu - halt wie auf einer Hochzich!
Manches Lumperliedl wurde zum Besten gegeben und als gar "die alte Liebe" aufkreuzte (das Nachbarsbettala hatte sich verkleidet) und eine ellenlange, arg traurige Geschichte von Untreue und Verlassenwerden vorlamantierte, lachten alle. Und die Musikanten spielten und spielten und "schee" wars ...
In der Küchn aber werkelte man schon wieder, das Porzellan stand sauber aufgwaschn für die letzte Mahlzeit, die Bratwürst, parat. Die Tante Julee schaute auf die Uhr und winkte den Brautleuten: "Es gäjht auf Zwölfa, tuts euch umziehn", und wendete dabei die Würst. Als die beiden wieder erschienen, hielt die junge Frau Kranz und Schleier in den Händen, die Musik spielte einen Tusch und die Tante verkündete: "Jetzat wird der Kranz austänzt!" Die Pfanne auf die Herdseite schiebend, kommandierte sie weiter: "Die Mädla im Kreis aufstelln und schee Ringelreiha tanzn!" Derweil zog sie ein Tüchl aus ihrer Schürzntaschn und verband der Braut die Augen. Zu den Musikanten gewandt, sagte sie: "Und jetzet spielts: Wir winden dir den Jungfernkranz!" Die Melodie erklang, der Reigen begann und die Alten schauten und summten und sangen mit und erinnerten sich. Dann wieder ein Tusch und das Trinla hatte den Kranz auf den Zöpfen und war die nächste Braut; auch ihren Zukünftigen wählte man aus. Sie tanzten den Ehrentanz und nochmals ging es hoch her.
Dann waren die Bratwürst gegessen. Die Mutter und die junge Frau richteten im Gwölb die "Bündala" zum Mitgeben für die Hochzichgäst und die ersten traten den Heimweg an. Der Vetter aus Reenboch suchte seinen Zylinder und die Tante aus Wennern konnte ihr Paraplü nicht finden. Die Kutscher hatten Mühe, die Pferde zu halten und die Musikanten spielten: "Behüt dich Gott, es wär so schön gewesen!" Dann packten auch sie ihr Sach ein und auf einmal war es ruhig und still.
Nur in der Küche klapperte noch Gschirr und die Tante Julee brühte den Kaffee an. Die Nachbarsfrauen und die Eltern tranken ihn, als alles soweit aufgeräumt war. Da lobte denn auch die Tante die Helferinnen und die Mutter packte für jede einen Korb voll Hochzichessen zamm und der Vater steckte jeder einen Schein in die Schürzntaschn. "Habt recht viel Dank für eier Hilf und wenns bei euch so weit is, bin ich aa zur Stell!" So begleitete die Mutter sie zur Tür und es graute schon der Morgen.
Am nächsten Tag gegen Mittag stand die Chaise eingespannt im Hof. Der Tante Julee ihre Sachen waren verstaut und darin allerlei Dinge, die sie gern mochte, man wusste es ja. Alle schüttelten ihr die Hand und die jungen Eheleut bedankten sich besonders. Dann saß sie selber im Wagen: "Also, Grüß Gott miteinander und a Fotografie schickts mir halt zu, es war a scheene Hochzich! Bleibts gesund!"
Als jeder wieder seiner Arbeit nachging, meinte die Mutter noch zu dem jungen Paar: "Es Hochzichbier machts gleich am Samstag im Wirtshaus. Wir richtn a paar Pfanna Gstandns (Sülze) her dazu! Dann ladts die Dorfleut ein und nachert haout alles sei Richtigkeit!"
Aus "Erzähltes und Erlebtes" von Fanni Schricker (†)